Natascha A. Brunswick


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Hamburg - Wie ich es sah

Fotografien von Natascha A. Brunswick

Ort: Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz 1, 20099 Hamburg
Geöffnet: Di-So 10.00-18.00 Uhr, Do bis 21.00 Uhr

Zeit: 13.07.01 - 01.04.02
Künstler/in: Natascha A. Brunswick

Bemerkung: Natascha Brunswick, geb. Jasny, wurde am 11. Juni 1909 in St. Petersburg als Tochter eines russischen Juden und einer russischen Adligen geboren und so waren die ersten drei Jahrzehnte ihres Lebens von der Flucht vor politischer Verfolgung geprägt. Über Tiflis führte sie der Weg über das Schwarze Meer und Konstantinopel nach Österreich. 1924 zog die Familie nach Hamburg. Natascha besuchte die Lichtwark-Schule. Nach dem Abitur studierte sie Mathematik an der Universität Hamburg, wo sie Prof. Emil Artin kennen lernte, den sie 1929 heiratete. Auf Grund ihrer jüdischen Herkunft wurde er 1937 von der Universität suspendiert.

Es folgte die Auswanderung in die USA. 1942, nach dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg musste Natascha Artin als ‚enemy alien‘ wegen Spionagegefahr ihre Leica A der Polizei aushändigen. Obwohl sie ihre Kamera nach Kriegsende zurückbekam, hatte sie die Lust an der Fotografie verloren. In zweiter Ehe war Natascha Brunswick, die heute in Princeton / New Jersey lebt, mit dem amerikanischen Komponisten Marc Brunswick verheiratet.

Die Fotografien (Porträts, Stadtansichten, Hafen- und Landschaftsaufnahmen) entstanden zwischen 1924 und 1937.

Suchworte: Deutschland, Hamburg, 2002, April, Fotografie

Warum diese Fotos im Schrank nichts verloren haben

"Hamburg - wie ich es sah": Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt historische Aufnahmen von Natascha Brunswick

Von Bettina Salomon

"Sehen heißt, die Welt mit dem Menschen und den Menschen mit dem Menschen verbinden", schrieb der französische Dichter Paul Éluard. "Hamburg - Wie ich es sah" nennt sich eine Ausstellung der Fotografin Natascha A. Brunswick, deren Bild gewordener Blick die Besucher des Museums für Kunst und Gewerbe unmittelbar etwas über Leben und Kultur in der Hansestadt zwischen den zwanziger und dreißiger Jahren erfahren lässt. Als professionelle Fotografin hat sich die heute 92-jährige Natascha Brunswick nie empfunden. "Es war eine private Leidenschaft", erklärt die freundliche alte Dame, "aber es war auch etwas mehr als nur Knipsen."

Nach dem Abitur träumte sie vom Architekturstudium am legendären Bauhaus, doch der Vater wollte nur ein Studium in Hamburg finanzieren. Natascha wählte Mathematik und besuchte nebenbei die Vorlesungen der Kunsthistoriker Aby Warburg und Erwin Panofsky. An der Universität lernte sie ihren zukünftigen Mann, den Mathematikprofessor Emil Artin, kennen. Bereits als Abiturientin an der Lichtwark-Schule hatte Natascha mit ihrer simplen Box Freunde und Familie abgelichtet und diese Aufnahmen auf dem Badewannenrand entwickelt.

1929, mit der teuren Leica A, einem Geschenk ihres frisch angetrauten Ehemannes, flanierte sie auf Motivsuche durch die Hansestadt. Ihre Ansichten vom Hafen, vom Jungfernstieg, von den Nicolai-Fleeten oder dem imposanten Hauptbahnhof bezeugen ihr Interesse für Architektur. Brunswicks klare, fast strenge Sehweise ist dabei Zeugnis einer neuen, einer "Weimarer" Ästhetik, die selbst dem Alltäglichen und Unspektakulären Reize abgewinnt.

Auch die Porträts von der halbwüchsigen Schwester, dem Ehemann Emil und den Kindern Karin und Michael sowie von befreundeten Wissenschaftlern und Künstlern besitzen diese Qualität der Momentaufnahme. Obwohl die Bilder aus dem Privatleben der Familie Artin über 70 Jahre alt sind, spiegeln sie auf ungewöhnlich lebendige Weise den Geist einer liberalen, aufgeschlossenen Ära. Sie präsentiert sich hell, luftig, sonnig, modern - weit von der volkstümelnden Spießigkeit vergangener und unmittelbar anschließender Epochen entfernt.

1937 ist es mit dieser privaten Freiheit vorbei: Professor Artin wird wegen der jüdischen Herkunft seiner Frau die Lehrtätigkeit an der Hamburger Universität entzogen. Ein Kollege vermittelt ihm einen Lehrstuhl an der Universität Notre-Dame in Indiana, USA.

Wie in den Kindertagen, als die 1909 in St. Petersburg als Tochter eines jüdischen Nationalökonomen und einer russischen Adligen geborene Natascha ihre Flucht quer durch Osteuropa antreten musste, muss sich die 26-Jährige nun von Freunden und Verwandten verabschieden. Sie verliert ihr Zuhause am Willersweg in Langenhorn. Doch auch in der Emigration hat Natascha Brunswick mit Verlusten zu kämpfen: "Als ich 1942 meine Kamera abgeben musste, war das schlimm!" Amerikanische Behörden verfügen nach dem Kriegseintritt die Konfiszierung ihrer Leica wegen allgemeiner Spionagegefahr. Als man Natascha Brunswick 1945 ihre verstaubte Kamera wieder aushändigt, hat sie die Freude an der Fotografie verloren. 1957 gründet sie an der New York University eine mathematische Fachzeitschrift, derweil ihr Mann an der Elite-Uni Princeton lehrt.

Rund 40 Jahre später macht ihr jüngster Sohn Tom eine aufregende Entdeckung: In einem Schrank seiner Mutter, die seit 1960 in zweiter Ehe mit dem amerikanischen Komponisten Mark Brunswick verheiratet war, findet er Stapel wundervoller Fotos, fein säuberlich auf Barytpapier vergrößert. Tom Artin, Jazzmusiker und selbst Fotograf, erkennt sofort den Wert dieser Vintageprints und stellt den Kontakt zur Hamburger Galeristin Petra von Schmude her. In ihrer Galerie KunstGenuss im Hegestieg werden Natascha Brunswicks Fotos 1999 erstmals ausgestellt. Sie treffen auf begeisterte Resonanz. Auch das Museum für Kunst und Gewerbe interessiert sich für die 227 Originalfotografien, und so findet das Œuvre von Natascha Brunswick jetzt seine verdiente Wertschätzung.

Fragt man die Künstlerin, die trotz ihres hohen Alters extra zur Eröffnung aus New York anreiste, nach ihren Gefühlen angesichts der Rückkehr ihrer Fotos in die Hansestadt, erhält man eine Lektion in Takt. "Hamburg ist noch immer eine wunderschöne Stadt", antwortet Frau Brunswick in akzentfreiem Deutsch und lächelt still.





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Stand: 16.März 2004